Waldstaub:
Pastelle von Wieland Payer

Michael Freitag

Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens,
wenn man nur zur Unzeit uns nicht weckt.

—Hölderlin

Natürlich sind das keine Landschaften. Das sind Pastelle. Auch wenn es platt ist, diesen Unterschied zu betonen, verführen die Arbeiten von Wieland Payer leicht dazu, ihn zu ver­gessen. Seine Bilder zeigen Wald und Himmel, Berg und Tal, Nebel und Grotte, Nische und Sternenzelt – also stellen sich sofort die gewohnten Reflexe der Bildung ein: Oh, Landschaftsbilder! Interessant. Dunkler Tann unter Himmelsdramen – ah! Wie bei Albrecht Altdorfer (1480–1538). Mondscheibe an Sternenzelt – ha! Wie bei Adam Els­hei­mer (1578–1610). Ein Morgen im dämmrigen Silber­licht – das erinnert an Johann Christian Clausen Dahl (1788–1857) … In der Euphorie des abzählenden Wieder­­er­kennens bemerkt man gar nicht, dass die Bilder Wieland Payers nach diesem Prinzip von lauter toten Malern besetzt wären, umweht von der Aura vergangener Epochen – die Donauschule, die Romantik! Erinnern macht froh und füllt die Augen.

Wären sie nicht gefüllt, müsste man sich fragen, wohin Altdorfer & Co. dann aber geraten sind? In Kreiden und kalte Bildarrangements, die mit genau solchen Klischees der Kunst­betrachtung spielen. Schon deshalb gibt es bei näherem Hinsehen Unstim­mig­keiten und Brüche anzumelden, die das warme Bild der Übereinstimmung oder der retro­spektiven Verbunden­heit wieder auflösen. Schon der Griff nach dem Pastell­stift bezeichnet einen Abstand, der das Arbeitsprinzip Wieland Payers von historischen Vorgängern trennt. Nicht zufällig, denn Landschaft und Pastell trafen in der Kunst­geschichte bisher kaum zusammen. Der Begriff »Pastell­malerei« hat ohnehin etwas Uneindeutiges, da das Pastell nicht gemalt, sondern gezeichnet wird. Die vom Stift abgeriebenen Pigmente haften als feinkörnige Bahnen auf dem Papiergrund, um eine eigene Ausdrucks­sphäre empfindlicher Farbkörper zu schaffen. Der Bezug zur Malerei ergab sich auch nicht aus dem Material, sondern aus dem Vermögen dieser Technik, die Kreiden zu mischen und in transparenten Schichtungen anzulegen, wie man sie aus der Lasur­malerei kennt. Die Blütezeit des Pastells liegt im 17. und 18. Jahrhundert; sein Hauptgegen­stand waren Porträts. Die Pudrig­keit des Auftrags passte zur Pudrigkeit der höfischen Gesellschaft im späten Rokoko. Geschätzt wurde die Fähigkeit des Pastells, eine verblüffende Natur­wahrheit zu ermöglichen und den Gegen­ständen der Aneignung ein inneres Leuchten zu schenken. Dazu trug nicht zuletzt die sanfte, wenn man so will »unspeckige« Ober­fläche der Kreide bei. Eine Wange konnte nicht nur pfirsich­farben erscheinen, sondern sie wurde samten, in der Pfirsic­hweise. Die Intimität gegenüber dem Erfassten bestimmte auch den intimen Charakter dieser Kabinett­stücke. Mit kleinen Formaten und unter geschliffenem Glas verlangten sie nach dem Schimmer von Seiden­tapeten und zierten auch noch Boudoirs.

Die Konsequenz aus diesen Eigen­heiten des Mediums war, dass es für bestimmte Aufgaben der Kunst gar nicht erst aufgerufen wurde. Was für Porträts und Stillleben im feinen Vortrag unübertrefflich wirkte, schien kaum geeignet, auch der großen Form zu genügen. Veduten, Historienbilder, Genreszenen und auch Landschaften in Pastell gab es nicht. Die Technik war immer schon zu sensitiv für die repräsentativen Aufgaben der Kunst, weshalb ihr lange auch der Ruf des Parfümierten, leise Verdorbenen und Süß­lichen anhaftete. Entsprechend führte sie bis ins 20. Jahrhundert das Dasein eines exklusiven Nebenverfahrens, sieht man von Impressionisten wie Edgar Degas (1834–1917), Auguste Renoir (1841–1919) oder Édouard Manet (1832–1883) ab, die ja gerade die Macht des Lichtstaubs auf den Oberflächen des Augeneindrucks entdeckt hatten. Oder sie wurde von angstlosen Einzel­gestalten als Möglichkeit durchgespielt – so von Pablo Picasso (1881–1973), Albert Welti (1862–1912), der als Außen­seiter eine Pastell­passion pflegte, oder Heinrich Zille (1858–1929), von dem es zauberhafte Pastell­studien gibt, die erstmals zeigten, dass Armut und Dreck auch leuchten können. Nicht vergessen sei auch Alfred Hrdlicka (1928–2009), der mit seinen Zeichnungen zu Richard Wagner noch einmal ein Hauptwerk der Pastellmalerei schuf. Für die zeit­genössische Kunst aber spielt das Pastell überhaupt keine Rolle mehr. Es ist zur Laien­technik heruntergekommen, deren Werkzeuge man über »amazon« bestellen kann, inklu­sive einer Gebrauchsanleitung (»Brillante Motive einfach gemacht«). Wenn Wieland Payer im 21. Jahrhundert das Pastell favorisiert, muss er also ein Konzept verfolgen, das den Status quo der Technik in Bezug auf seine mediale und funktionale Zuständigkeit neu untersucht. Und tatsächlich greift er die Wesensbestimmung des Pastells überall an. Etwa das Diktum von Intimität und begrenztem Format, den Hybrid­status zwischen Zeichnung und Malerei oder die scheinbare Untauglichkeit für das Landschaftsbild. Payers Vorgehen ist dabei von subtiler, unaufgeregter und missions­loser Folgerichtigkeit. Er ist ein Zeichner und gibt die Spur der Hand so wenig auf wie die Bedeutung der Linie für die Bildgestalt. Auch der durch­scheinende Papier­grund wird als konstituierendes Element der bildlichen Raumbestimmung einbezogen. Der sichtbare Auftrag, die pulvrige Struktur der Linien, die Leucht­kraft feinster Details, die Transparenz der übereinander gelagerten Kreideformationen und die geschöpfte Oberfläche des Papierkörpers bestätigen unbedingt den Grundcharakter der Zeichnung. Indem Payer sie aber auf großformatige Bildträger kaschiert, dehnt er das Strukturfeld der Ausarbeitung überraschend aus. Die schiere Flächenbehauptung verschiebt den Akzent von der Zeichnung wieder in Richtung Malerei, gerade weil oder obwohl das trockene Oberflächenmilieu die Künstler über 300 Jahre lang davon abge­hal­ten hat, genau das zu tun. Aus dem medialen Hybrid (Pastell = Zeichnung als Malerei) schafft Payer einen weiteren: Ereignisbild und Landschaft kristallisieren zu Ereignislandschaften aus, in deren Brechungen Versatzstücke von Naturbildern aneinander geraten.

Das führt zur nächsten Konsequenz: Wenn die Landschaftsmalerei historisch dazu beitrug, den Betrachter zu definieren, indem der Horizont als »Repräsentant der Distanz« entdeckt wurde, wie Gottfried Böhm das nannte, dann hebt Payer dieses Ordnungsprinzip wieder auf: Er zoomt die Ansichten so nah heran, dass der Horizont aus dem grandiosen Naturmotiv oft verschwindet. Der Betrachter wird auf diesem Wege von den Relationsbestimmungen für Oben und Unten, Nähe und Ferne abge­trennt. Man bewegt sich nie irgendwo anders als in einem Davor des Anblicks und sieht, statt der Imagination einer bestimmten Landschaft zu verfallen, allein das Bild, das seine eigene Totale definiert. Payer verunsichert so die Konstanten, die der Betrachter in einem Landschaftsbild sucht. Stattdessen stellt er die Gebrochenheit eines Gestal­tungs­zusammenhangs heraus, den wir immer noch »Landschaft« nennen, indem alle Anstrengungen Payers darauf hinauslaufen, dessen gattungsspezifische Parameter infrage zu stellen, neu zu definieren oder gar zu leugnen. Kreuzpunkt seiner Ausein­ander­setzung ist der Abbildbegriff, dessen historische und funktionale Instabilität die Moderne auf den Plan gerufen hat, der Bildrhetorik ruhigstellender Illusionsapparate ein Ende zu bereiten. Payer versetzt den eindeutigen, vom Bildgesetz bestimmten Bild­sinn in eine seltsame Zweideutigkeit, wenn er das gegenständliche Lesen des Betrach­ters erst aufruft und dann wieder abweist. Dadurch werden, je länger man hinsieht, die Halterungen der überkommenen Einordnungsbegriffe demontiert: Jeder Gedanke, jedes Gefühl oder jede Idee, die man den Bildern anträgt, um sie beurteilen zu können, ist per­foriert von den Absichten des Künstlers, erst einmal sicherzustellen, dass der Betrach­ter nicht sieht, was er sieht. Er soll verstehen, dass er einer Denkfigur gegenübersteht, die zunächst entschlüsselt werden muss. Das Betrachtungserlebnis wandelt sich in das Erlebnis eines Erkennens, das jede Facette auf jeder Ebene der Darstellung neu buch­stabiert. Darum ist die Mitwirkung des Betrachters entscheidend: Er muss das Gewuss­te am Gezeigten prüfen, um sich die Voraussetzungen dieser Bilder zu erschlie­ßen. Dann wird auch deutlicher, dass Payers Landschaften keine klassischen Land­schaften mehr sind. Sie haben weder irgendeine topografische noch eine erinnerte oder gefühls­mäßig erahnte Wirklichkeit zum Ausgangspunkt. Auch wenn Payer gern durch schöne Landschaften wandert, hält er sich fern von der Heimeligkeit entzückter Blick­be­rüh­rung. Das Abtasten von Wald und Wiese und das unmittelbare Verwirklichen von Natur­vor­kommnissen spielen für seine Erfindungen keine Rolle. In seinen Bildern finden sich keine Motive, die man irgendwo als Bild extrahiert haben könnte, sondern allein Arrangements, die den Prämissen unserer Erwartung ein Rätsel aufgeben und so das Unvorhersehbare schaffen. Man steht vor strukturell angelegten Kompositionen, in denen sich Blickpunkte und Perspektiven Überlagern und zu fantastisch kompilierten Motiven umschlagen. Was als Naturbild deklariert ist, erweist sich bei näherem Hin­sehen als Täuschungsrevier, als erzeugte »Gegend«, die jeder kontinuierlich entfalteten Wahrnehmung widerspricht. Erst wenn man begreift, dass Payers Bilder nicht Abbild, auch nicht Abbild einer historisch legitimierten Naturauffassung sind, wird auch klar, dass man es mit Konstruktionen zu tun hat, die den überkommenen Vorstellungen von Landschaft entgegen gehalten werden. Jede Ansicht, die Payer liefert, spielt mit Vor­stel­lungen, die nicht er, sondern wir in die schöne Natur hineintragen. Um das klar zu halten, gliedert er die Bildräume so, dass fremde Körperstrukturen, Lichterscheinungen oder Flächen das Idyll, die scheinbar arglose Ansicht von Berg und Tal, plötzlich ver­stellen, ohne die Faszination am rein Sichtbaren anzutasten. Die Blätter gewinnen eine enorme Präsenz, weil sie die Komplexität der intellektuellen Gestaltungsanlässe, von denen die Rede war, in den Mantel des Schönen hüllen: Den Zeichnungen eignet durch ihre Leuchtkraft, durch ihre machtvollen Hell-Dunkel-Kontraste und vor allem durch ihren Detailreichtum eine hohe visuelle Attraktion.

Diese kühle Strahlkraft ist es auch, die den Betrachter sofort an die Epoche der Romantik denken lässt, bevor er der Tücken dieser assoziativen Rückbindung gewahr wird. Das ist auch nicht schlimm. Diesen Konflikt zwischen Ansicht und Einsicht trugen die Romantiker selbst schon aus. Auch Payers Vorgänger wurden mit Verweisen auf Vorgänger drangsaliert. Man überging damals wie heute, welche kritischen Ein­wände und produktiven Kühnheiten notwendig waren, um zur Originalität jener per­sön­lichen Anschauung zu kommen, auf die man an einem späteren Punkt zeigt, um sie doch wieder vergleichbar zu machen. Das Problematische an diesen legitimen Assozia­tions­ketten ist, dass sie die Geschichte letztlich doch als Entfaltung einer inneren Logik behaupten. Der Verweis ins allgemein Frühere teilt über die konkrete Gegenwart eines zeitgenössischen Kunstdenkens aber kaum etwas mit. Zwar ist die Kunstgeschichte voller interner und diskreter Bezugspunkte. Die aber finden nicht auf der Linie von Vor­gängern und Nachfolgern statt, sondern in einem geistigen Resonanz­raum, wo sich das Frühe und das Späte immer zugleich aufhalten. Caspar David Friedrich (1774–1840) hatte wohl kaum Wieland Payer vorarbeiten wollen, während er das epochenwirksame und für Goethe noch maßgebliche Bildsystem von Claude Lorrain (1600–1682) durch abstrakte Kompositionsprinzipien radikalisierte. Was aber bedeu­tete der damalige Umbruch? Wurde Lorrain durch Friedrich zu sich selbst gebracht oder Friedrich durch Lorrain? Oder hat man es nicht doch in dem einen wie im anderen Fall mit einer origi­nären Leistung zu tun, deren Vorgängerreferenzen durch die neu gewonnene Position nicht überwunden, sondern gewissermaßen ausgelöscht wurden?

Das alt oder neu apostrophierte Motiv unterliegt immer einem fremden Anliegen mit allen Konsequenzen in der zuletzt gefundenen Bildgestalt. Denn alle Entscheidungen,
die das Bild formieren, verdanken sich zuerst dem Kontext der eigenen Gegenwart und sind ihm auch immer schon ausgesetzt, bevor überhaupt eine historisch begründete Familienzugehörigkeit, etwa Payers zur Romantik, erwogen werden kann. Kunst hat immer nur eine Gegenwart. Es ist die, in der das Denken über sie stattfindet. Dieser Grundsatz gilt für die Produktion von Bildern nicht weniger als für deren Wirkung und für ihr Verständnis durch die Zeiten, die nichts anderes als einander ablösende Gegen­warten sind.

In die unmittelbare Gegenwart gehört das wache Bewusstsein des Künstlers, dass die Welt weder ihn noch überhaupt jemanden braucht. Das ist auch der gravierende Unter­schied zur Einsamkeitsmetaphorik der Romantik. Wir sind nicht allein, sagen Payers Bilder, sondern wir sind draußen. Also behauptet er auch nicht mehr, die Natur sei dazu da, uns zu erbauen und die Kunst sei damit beauftragt, Tiefensymbole mit Sonne und Nacht oder Lebensbilder mit Berg und Tal auszuschenken. Er sieht in der Natur eher das Abgewandte, das Wilde, jenes Chaos, das künstlerisch nicht bewältigt werden kann, ohne dass es aufgelöst würde durch einen ordnenden Blick. Die Zeichnung verkleinert die Übermächtige Welt auf den Eindruck, der von ihr formuliert werden kann. Die For­mu­lierung wiederum ist es, die mit unseren Erfahrungen korreliert. Die Erfah­run­gen aber schlagen sich in Erwartungen nieder. Und mit denen spielt die Kunst, nicht mit der Natur.

So unterbrechen Payers Pastelle mit der Fremdheit einer widerstrebenden, selten gewor­denen Technik die Erfahrung einer im Hausgebrauch verrotteten, lückenlos
abge­bildeten und touristisch visualisierten Welt. Wer sie aufsucht, findet sie besetzt, durchpflügt, zerschnitten und melioriert durch jene industrielle Unterwerfung, in deren Ergebnis aus der Natur der Widersinn einer Kulturlandschaft entstand. Schon deshalb kann die Natur kaum noch naiver Gegenstand der Kunst sein. Im Gegenteil. Sie ist längst schon ein Gegenstand musealer Konservierung in behördlich verwalteten Schutz­räumen  – wie die Kunst selbst.

An diesem heiklen Punkt wird der Riss zwischen dem Landschaftsmaler von 1816 und 2016 noch einmal klar: Den unschuldigen Blick gibt es so wenig mehr wie eine un­schul­dige Natur. Nicht nur ist alles schon bis zur Unkenntlichkeit abgebildet, jeder Anblick ist immer auch schon von Vor-Bildern besetzt. Die wichtigste Konsequenz, die in der Postmoderne gezogen wurde, läuft auf die Gewissheit hinaus, dass die Evidenz des Sicht­baren zerfällt. Die Kunst ist dadurch endgültig frei. Frei davon, die Natur in ein gültiges Zeichensystem verwandeln zu wollen, frei aber auch davon, für die Deutung der Welt überhaupt bedeutsam zu sein. Insofern ist die zeitgenössische Kunst statt mit dem Geheimnis der Welt fast nur noch mit dem Geheimnis ihres eigenen Vorkommens befasst. Der Rückgriff auf die Geschichte der Bilder ist dann nicht mehr Teil einer sich selbst entfaltenden Tradition, sondern seinerseits Reflektieren aus dem Abstand. Bild und Bedeutung fallen nicht mehr zusammen, sondern zeigen aus gegenüberliegenden Positionen aufeinander. Abstraktion oder Gegenständlichkeit, Tradition oder Avant­garde, Moderne oder Antimoderne sind verlorene Fragen, wie auch die Bilder von Payer zeigen: Sie rufen die ehedem unvermittelbar gewesenen Möglichkeiten zwischen Natur­an­schau­lichkeit und planimetrischer Abstraktion von Flächen herbei, ohne noch an den ausschließenden Unbedingtheitsanspruch von Avantgarden zu glauben. Payers Pastelle bekennen sich zu jener Krise des Bildbegriffs, die sich im gestörten Verhältnis zwischen dem Bild der Natur und der Natur des Bildes ausspricht. Dass Bilder Konstruktionen von Welt sind, durchzieht als Gewissheit alle Epochen, sonst gäbe es keine Stil­geschichte. Das zu würdigen und zu kategorisieren, arbeiten sich die Kunsthistoriker seit 200 Jahren ab. Konstruieren jedoch zum alleinigen Gegenstand der Kunst zu machen, ist das Ermächtigungsgesetz der Moderne.

Wieland Payer, der studierte, als dies alles schon Konsens war, wandert statt durch Land­schaften durch die Kunstgeschichte wie durch eine Rumpelkammer, ohne die Not, sich irgendwie legitimieren oder rechtfertigen zu müssen. Er entnimmt ihr, was er an Bildrequisiten braucht, um raffinierte Stimmungskulissen hinzuzaubern, auf die wir erwartungsgemäß reagieren. Als brillanter Zeichner baut er eine Sphäre der Überwäl­ti­gung, des schönen Scheins und der Traumseligkeit auf. Sie zieht den Betrachter magisch an, bis er erwacht. Und wenn Hölderlin darum bittet, nur möglichst nicht zur Unzeit geweckt zu werden, könnte man sagen, dass Payer seine Bilder genau für diese Unzeit macht.

Fußnoten:
[1] Gottfried Boehm: Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. University Press Berlin 2007, S. 78